Die Sache mit der Luftfeuchte

Der Begriff der Luftfeuchte (oder auch „Luftfeuchtigkeit“), ist fast jedem ein Begriff. Doch was er bedeutet ist nur wenigen wirklich bekannt – obgleich jeder glaubt es zu wissen.

Die Luftfeuchte misst man mit einem Hygrometer. Das Hygrometer der heimischen Wetterstation oder das einzelne Hygrometer an der Wand oder im Regal zeigt die Werte in Prozent an (Oft angegeben in % rF oder % rH). Anhand dieser Prozentzahl „weiß“ man, wie feucht die Luft im Raum oder draußen ist. Und genau hier beginnen die Ungereimtheiten…

Zunächst möchte ich eine kleine Geschichte aus dem Alltag erzählen:
Es ist Dezember, irgendwo in Deutschland. Die Wohnung ist angenehm warm, aber das Hygrometer im Wohnzimmer zeigt 70%, somit recht feucht. Die Feuchtigkeit muss raus, ganz klar! Doch das Außenhygrometer der Wetterstation zeigt außen 90% relative Luftfeuchte an. Die meisten denken hier ganz naheliegend: Innen 70%, außen 90%, da bleibt das Fenster zu, denn draußen ist es ja feuchter als drinnen!
Sie würden ebenso handeln? Wäre das korrekt? Schauen wir uns das mal genauer an. Und bitte keine Angst vor Physik und Mathematik, es ist nicht so schlimm wie es auf den ersten Blick scheint…

Die relative Luftfeuchte ist – wie der Name bereits sagt – „relativ“. Das bedeutet, es ist ein Wert der in Bezug zu etwas steht, bei der Luftfeuchte in Bezug zur Wasserdampfsättigung. Die Luft die uns umgibt ist ein Gasgemisch und jedes Gas oder Gasgemisch besitzt eine bestimmte Kapazität für Wasser(dampf). Das bedeutet, es kann nur eine bestimmte Menge Wasser aufnehmen, ähnlich wie bei einem Schwamm oder einem Tuch. Die Obergrenze ist – wenig überraschend – bei 100% erreicht. Das bedeutet, dass 100% relative Luftfeuchte das Maximum an Wasser in der Luft darstellt. 100% rF = maximale Wasserdampfsättigung = Mehr passt da nicht rein!
Doch das alleine ist nicht die gesamte Wahrheit. Die Luft hat eine Temperatur und es gibt den Luftdruck. Den Luftdruck möchte ich der Einfachheit halber ignorieren, denn dieser hat im Alltag nur einen geringen Einfluss. Viel wichtiger ist die Lufttemperatur. Denn das Gasgemisch „Luft“ verändert, je nach Temperatur, deutlich seine Kapazität – also die Menge Wasser die es maximal aufnehmen kann. Genau hier sind wir bei dem wichtigsten Punkt der Erklärung angekommen: Je höher die Lufttemperatur, desto mehr Wasser kann die Luft aufnehmen. Die relative Angabe ist somit abhängig vom Fassungsvermögen der Luft bei einer bestimmten Temperatur. Gar nicht so schwer, oder?

Hier ein Beispiel:

Ein Kubikmeter Luft (das ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von einem Meter) kann bei einer Temperatur von 20 °C etwa 17,3 g Wasser aufnehmen – das sind rund 17 ml (0,017 Liter oder auch ein knapp halb gefülltes Schnapsglas). Dies würde einer Sättigung von 100 % entsprechen (der Schwamm ist voll, tropft aber noch nicht). Zeigt das Thermometer also 20 °C und das Hygrometer 100 % relative Feuchte, sind in einem Kubikmeter (m³) Luft 17,3 g Wasser enthalten. Das Wasser ist hierbei gasförmig (Wasserdampf), daher sehen wir es nicht (zumindest nicht unmittelbar).

Wir lernen also, dass bei einer bestimmten Temperatur eine bestimmte Menge Wasser in Form von Wasserdampf in der Luft enthalten ist (Hinweis: Die Angabe der tatsächlichen Wassermenge in Gramm oder Liter nennt man die „absolute Luftfeuchte“). Was geschieht nun aber bei anderen Temperaturen? Was, wenn es kälter oder wärmer ist als die im Beispiel genannten 20 °C?
Nun, je wärmer die Lufttemperatur ist, desto mehr Wasser kann die Luft aufnehmen. Das bedeutet umgekehrt, dass kältere Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann. Diesen Effekt kann man sehr gut in der Natur beobachten, beispielsweise im Herbst, wenn es abends abkühlt, dann entsteht Dunst oder Nebel. Doch was ist Nebel eigentlich?

Nebulöse Effekte

In unserem Beispiel konnte Luft bei 20 °C maximal 17,3 g Wasser aufnehmen. Luft bei einer Temperatur von 0 °C kann weit weniger Wasser aufnehmen. Hier sind es nur noch etwa 4,8 g. Was passiert also, wenn wir die 20 °C und 100 % gesättigte Luft abkühlen?
Nehmen wir hier nochmal das Beispiel mit dem Schwamm. Ist der Schwamm maximal mit Wasser getränkt (gesättigt), kann er kein weiteres Wasser mehr aufnehmen. Das Abkühlen der gesättigten Luft ist vergleichbar mit dem zusammendrücken des Schwamms. Drückt man diesen zusammen läuft das Wasser das der Schwamm nicht mehr halten kann heraus. Bei der Luft passiert etwas Vergleichbares. Kühlt sich die Luft ab, nimmt die Kapazität ab. Somit ist dann mehr Wasser in der Luft enthalten, als sie dann „festhalten“ kann. Das überschüssige Wasser bildet beim Abkühlen kleine Tröpfchen. Diese Tröpfchen sehen wir als Dunst oder Nebel – oder auch als Wolken, wenn dies in der höheren Atmosphäre passiert. Irgendwann werden die Tröpfchen dann zu größeren Tropfen und fallen zu Boden (So entsteht auch Regen).

Rechnen wir das nochmals für unser Beispiel aus:
1 m³ Luft bei 20 °C mit 100 % rF enthält 17,3 g Wasser.
Beim Abkühlen dieses Volumens auf 0 °C kann es nur noch 4,8 g Wasser aufnehmen. Es sind also (Rechnung: 17,3 g – 4,8 g) 12,5 g Wasser mehr vorhanden, als die 0 °C kalte Luft aufnehmen kann. Diese 12,5 g Wasser würden dann Nebel (kleine Tropfen) bilden und irgendwann zu Boden fallen.

Nochmals zur Verdeutlichung:
1 m³ Luft bei 20 °C mit 100 % rF = 17,3 g Wasser
1 m³ Luft bei 0 °C mit 100 % rF = 4,8 g Wasser

Ablesen kann man dies in einem Diagramm, das die drei Einheiten Temperatur, absolute Luftfeuchte und relative Luftfeuchte gemeinsam darstellt:

hx-Diagram Luftfeuchte (Beispiel2)

In diesem Diagramm zeigen die blau gestrichelten Linien jeweils an, bei welcher Temperatur (Skala links) und 100% Luftfeuchte (rote Kurve) wieviel Wasser (untere Skala) pro Kubikmeter Luft vorhanden ist.

In beiden Fällen würde das Hygrometer also 100 % rF anzeigen, doch die tatsächliche Wassermenge wäre sehr unterschiedlich.

Kommen wir auf die Geschichte von Anfang zurück – das Lüften des Wohnzimmers. Hier war ja die Frage, ob man die Fenster zum Lüften öffnen sollte, obwohl das Hygrometer außen „mehr“ anzeigt als im Innenraum. Zunächst gehen viele davon aus, dass die 90% rF draußen mehr sind als die 70 % rF innen. Relativ betrachtet ist da sauch so. Wir haben nun aber gelernt, dass die Temperatur eine entscheidende Rolle spielt. Das hatte ich in der Geschichte bewusst noch nicht genannt hatte. Rechnen wir also nochmal nach:

Wohnzimmer 70% rF bei +24 °C
Außen 90% rF bei +5°C

Zunächst müssen wir wissen, wieviel Wasser pro m³ Luft tatsächlich vorhanden ist, jeweils innen und außen – also die absolute Luftfeuchte. Dies können wir wieder im Diagramm grob ablesen. Versuchen Sie es gerne mal selbst:

hx-Diagram Luftfeuchte (Beispiel3)

Genau abgelesen (oder per Formel ausgerechnet) ergeben sich folgende Werte:

Bei 70% rF und +24 °C = 15,2 g/m³
Bei 90% rF und +5 °C = 6,1 g/m³

Wir sehen hier bereits sehr deutlich, dass die absolute Feuchte ­– also die tatsächliche Menge Wasser in der Außenluft – mit 6,1 g sehr deutlich geringer ist als in der Wohnung mit 15,2 g. Das bedeutet, dass die Außenluft weit weniger feucht ist, als die Innenluft – zumindest bezogen auf den absoluten Wassergehalt. Der relative Feuchtewert der Außenluft ist nur deshalb so hoch, weil die Außentemperatur so niedrig ist und die Luft daher sehr viel schneller gesättigt ist.

Was würde also passieren, wenn wir nun die Fenster zum Lüften öffnen würden?

Einfach und schnell erklärt, ohne jedes physikalische Detail zu beachten oder zu erklären, passiert folgendes:
Die warme Raumluft strömt durch die Fenster nach draußen, während kühle Außenluft in das Wohnzimmer gelangt. Die Luft wird dadurch ausgetauscht (bestenfalls vollständig). Nun befindet sich die kalte Außenluft auch im Wohnzimmer. Die so „erneuerte“ Raumluft hat nun ebenfalls etwa 90% rF und +5 °C (wir ignorieren hier mal bewusst, dass sich die einströmende Luft bereits im Raum erwärmt).
Wir schließen nun die Fenster und geben der frischen Luft Zeit sich an Heizung, Wänden und Möbeln zu erwärmen. Da wir nun wissen, dass die relative Luftfeuchte von der Temperatur abhängt und der absolute Wassergehalt bei Temperaturveränderung gleich bleibt, können wir nun umrechnen:

Frischluft im Wohnzimmer nach dem Lüften: +5 °C mit 6,1 g/m³ absoluter Feuchte (90% rF)
Frischluft im Wohnzimmer nach dem Aufheizen: +24 °C mit 6,1 g/m³ absoluter Feuchte (28% rF)

Im Diagramm sieht das folgendermaßen aus:

hx-Diagram Luftfeuchte (Beispiel1)

Hier suchen wir zunächst den Schnittpunkt an dem die gesuchte Temperatur (linke Temperaturskala) die rote 90% rF Kurve schneidet und lesen unten die absolute Luftfeuchte ab. Von der absoluten Luftfeuchte gehen wir dann gerade nach oben (blauer Pfeil) bis wir auf Höhe der Raumtemperatur +24°C angekommen sind. Hier befinden wir uns dann zwischen den beiden roten Kurven 20% rF und 30% rF. Die Position lässt sich grob ablesen mit ca. 28 % rF.

Das Hygrometer im Wohnzimmer würde also rein rechnerisch (oder laut Diagramm) nach dem Lüften und dem wieder aufwärmen der Luft 28% rF anzeigen. Das wäre also sehr viel trockener, als es zuvor war. Das Lüften wäre sehr effektiv gewesen um die feuchte Luft los zu werden.

In der Realität würden viele physikalische Faktoren diesen Wert verändern (unvollständiger Luftaustausch, Vermischungseffekte, Feuchteaufnahme von Möbeln und Textilien, etc.). Doch eine Tatsache bleibt, die Luftfeuchte wäre nach dem Lüften eindeutig niedriger als zuvor.

Erkentnisse

Wie es sich tatsächlich mit der Luftfeuchte verhält ist spontan nicht ganz so einfach zu verstehen. Doch wenn man weiß, dass die Temperatur eine große Rolle spielt, hilft das bereits zu mehr Verständnis. Lüften bei kalten Wetter ist meist angebracht, wenn es in der Wohnung zu feucht ist. Auch ergibt sich die Erkenntniss, dass es im Winter bei kalten Außentemperaturen immer trockener ist, als im Sommer. Denn die kalte Winterluft kann schlicht nicht so viel Wasser aufnehmen wie die warme Sommerluft.

Von Messwerken und Schätzeisen

Erwähnen sollte man noch, dass die Messung der Luftfeuchte im Privathaushalt weit entfernt von Präzise ist. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass alle Hygrometer (vor allem die analogen Zeigerinstrumente) regelmäßig kalibriert, also neu eingestellt werden müssen um halbwegs korrekte Werte anzuzeigen. Auch elektronische Geräte mit digitaler Anzeige verlieren nach dem Kauf über die Zeit ihre Präzision. Bei analogen Geräten die länger als 12 Monate nicht mehr kalibriert wurden kann die Messung durchaus mal 20% oder mehr daneben liegen. Da aber praktisch niemand seine Hygrometer rekalibriert, kann man davon ausgehen, dass die Anzeige eher ein unzuverlässiger Wert ist. Man kann analoge Messwerke durchaus selbst kalibrieren, ohne spezielle Labortechnik verwenden zu müssen. Anleitungen dazu finden sich verschiedene im Web, hier einfach mal die Begriffe „Hygrometer“ und „Kalibrieren“ in eine Suchmaschine eingeben. Digitale Geräte sind hier deutlich stabiler, aber auch hier gibt es leider große Abweichungen. Erfahrungsgemäß würde ich sagen, dass man auch bei digitalen Geräten mit einer Ungenauigkeit von rund 10% ausgehen kann. Nur wenige Hersteller liefern hier präzise Qualitätsinstrumente.

Für Interessierte und Neugierige

Ein oft schwieriges Thema in Wohnungen ist ebenfalls mit der Luftfeuchte verbunden, das Thema „Schimmel“. Der Schrecken lauert an Wänden und hinter Schränken und ist nicht selten ein Streitthema mit vielen Missverständnissen. Soweit man die oben erlärten Zusammenhänge verstanden hat, kann man nun auch verstehen, wodurch sich Schimmel an Außenwänden bilden kann. Hier kühlt die feuchte und warme Raumluft an der kalten Außenwand ab. Dies führt dazu, dass das in der Luft gespeicherte Wasser aus der Luft an der kalten Wand kondensiert. Kondensiert bedeutet hier einfach, dass sich das Wasser aus der Luft an der Wand ansammelt. Dadurch wird die Wand feucht und mit der Zeit sogar richtig nass. Der Schimmel freut sich über solche Bedingungen und wächst fleißig.

Im Allgemienen sagt man, dass sich Schimmel ab etwa 70%rF beginnt richtig wohl zu fühlen. Wer oben gut aufgepasst hat erkennt hier sofort, dass dies nur ein grober Mittelwert in Bezug auf bestimmte Temperaturverhältnisse ist. In älteren Bauten ist das Mauerwerk ganz anders als in modernen Gebäuden. Hier kann man sich aber in den Tiefen der Baustrukturen, Definitionen und den unterschiedlichen Wohngewohnheiten verlieren. Einen pauschalen Wert gibt es somit nicht. Wer die relative Luftfeuchte der Raumluft im Blick hat und dazu die Oberflächentemperatur seiner Außenwände kennt, kann selbst die Grenzen der maximalen relativen Raumluftfeuchte berechnen. Ein weiterer Anhaltspunkt ist hierbei der sogenannte „Taupunkt“. Dieser wird oft von digitalen Hygrometern mit angezeigt. Dieser Wert zeigt die Temperatur in °C an, ab welcher die aktuell gemessene Raumluft zu kondensieren beginnt. Die Außenwand darf also diesen Wert nicht erreichen oder gar unterschreiten. Dies erspart einem die Mühe beim berechnen oder das Ablesen in einer Tabelle.

Wer die Temperatur seiner Außenwände schnell und einfach messen möchte dem empfehle ich hierfür ein kontaktloses Infrarot-Thermometer. Diese Thermometer sehen aus wie Pistolen und messen die Temperatur von Oberflächen mittels Infrarotstrahlung. Hier wird sich der Tatsache bedient, dass alle Körper Infrarotstrahlung abgeben – Außer der Körper hat 0° Kelvin, was -273,15 °C entspricht und somit den absoluten Nullpunkt entspricht. Diese Infrarotstrahlung nimmt in ihrer Intensität mit steigender Temperatur zu. Diese kann dann mit einem Infrarotsensor gemessen und in einen Temperaturwert umgerechnet werden.

Schlusswort

Ich hoffe mit meinen Ausführungen halbwegs verständlich und nachvollziehbar ein nützliches Wissen vermittelt zu haben. Die Thematik ist durchaus sehr Physik und Mathematiklastig, aber wie ich finde auch für „ungeübte“ noch zu verstehen. Wenn dies im Alltag hilft das Raumklima zu verbessern und Schimmel vorzubäugen, dann hat sich der Aufwand gelohnt. Und mit ein bisschen Glück habe ich ein wenig Neugierte auf solche Themen geweckt. Ich bedanke mich, dass Sie bis hier hin durchgehalten haben. Wenn Sie gerne mehr über solche Themen lesen möchten, dann schreiben Sie mir gerne Ihre Vorschläge. Ich freue mich über jede Anregung =)